Das RAW befindet sich im Ortsteil Friedrichshain an der Ecke Warschauer- / Revaler Straße.

Nach über 100 Jahren industrieller Nutzung gibt das noch nicht modernisierte und mit 52 000 m² ziemlich große Gelände seit einiger Zeit künstlerischen und kulturellen Angeboten ein Zuhause. Die Abkürzung Raw steht für Reichsbahn-Ausbesserungswerk. Der ehemalige Eigentümer des Areals war die deutsche Bahn.

An einem sonnigen Tag machte ich mich von meiner Wohnung aus, die nahe dem Bahnhof Ostkreuz liegt, auf den Weg über die Revaler zum RAW. Die Backsteinmauer rund um das Gelände ist mit Postern und Graffitis übersät. Ich gehe links in den Eingang. Dort gibt es gleich eine Bar und Privatbrauerei mit Sitzmöglichkeiten draußen und drinnen. Ich gehe weiter über den holprigen Asphalt mit Löchern und Schienen von der damaligen Bahn.

Gleich links sehe ich eine Backsteinfassade, die mit wildem Wein schön überwuchert ist und vor der alte Stühle stehen. Gleich hinter der Fassade sind drei spezielle Hallen zu finden. Dort werden Möbel aus allen Jahrgängen verkauft. Ich habe einen netten Verkäufer gefragt, was ihre ehemalige Funktion war und wo sie herstammen. Er erklärte mir, dass die transportablen Raum- erweiterungshallen, die wie eine Ziehharmonika aussehen, in der DDR unterschiedlich einsetzbar waren.
Daneben steht eine leere, abgesperrte Halle. Durch die kaputten Scheiben der Fenster sieht man, dass sich im Inneren schon ein eigenes Biotop entwickelt hat.

Auf der anderen Seite sehe ich ein einzelnes Backsteinhaus, ein Club namens Badehaus, mit einer Veranda, wo man es sich auch gemütlich machen kann. In diesem Gebäude wuschen sich früher Arbeiter nach Schichtende den Kohlestaub ab.
Auf der anderen Seite in einer Industriehalle ist das Cassiopeia mit Wintergarten beheimatet. In dem Club finden Partys auf bis zu drei Floors statt. Querbeet läuft dort Musik der 80s, 90s und auch Hip Hop.

Gleich daneben ist eine 1600 m² große Skatehalle. Spaß kann man dort haben mit Skateboard, Inline-Skatern, Streetboards und BMX Fahrrädern.

Vorbei an mit Graffiti besprühten Häusern und Street Art auf hohem Niveau, gehe ich rechts hoch Richtung Ausgang. Dort sehe ich ein Gebäude mit gemütlicher Veranda und Bar. Im Stoff- und Geräte -lager, so heißt das Haus, befinden sich auch ein Kinder- und Jugendzirkus sowie Übungsräume für Musiker.

Auf dem RAW-Gelände findet übrigens von Frühjahr bis in den Herbst immer am Sonntag ein Flohmarkt statt, auf dem überwiegend private Händler*innen eine bunte Mischung von Vintage- und Retro-Fashion, Kuriositäten, aber auch Nützliches anbieten.

Ich gehe weiter und sehe rechts ein graues Haus. Ich schwelge in Erinnerungen. Vor 21 Jahren wohnte ich damals in der Libauer Str. mit Kohleofen und 200 DM Miete in der Nähe vom RAW.
Das Gelände war damals grau, schmutzig, holprig und nicht ungefährlich bei der fehlenden Beleuchtung. Komische Typen liefen dort rum.

Damals bin ich in dieses graue Haus gegangen, weil ich gehört hatte, dass es dort Atelierplätze gibt. Da landete ich in einem Bildhaueratelier. In meinem Studium Visuelle Kommunikation in NRW gab es auch dieses Fach. Ich war dort gerne im Keller, um mit Ton zu arbeiten.

Als ich die Tür zur Werkstatt öffnete, stand ich in einem Flur, in dem sich rechts mehrere Gipsköpfe befanden. So ca. 12 Leute arbeiteten dort in zwei Räumen mit Ton an ihren Plastiken. Der Bildhauer kam auf mich zu. Ja, ich könnte dort unentgeltlich arbeiten, sagte er. Dafür brachte ich ihm aber mal ein Bier oder Kohle zum Heizen mit.

Er war schon eine Erscheinung. Ein großer Russe mit charismatischem Gesicht, einer eher tiefen Stimme, langem alten Pelzmantel und fünf-Tage-Bart. Er trank gerne Alkohol und war dementsprechend gelaunt. Aber oft auch sehr lustig. Einmal tanzte er zu russischer Musik aus dem Kassettenrecorder.

Wir saßen öfters alle zusammen und unterhielten uns. Tranken auch mal ein Bierchen mit ihm. Wir durften uns von zwei Köpfen, die er geformt hat einen aussuchen, den wir dann modellieren sollten. Er und sein Sohn. Ich suchte mir ihn aus.

Als der Kopf fertig war, sollten wir eine Hand von uns fertigen 1:1. Das war nicht so einfach. Ich habe es aber geschafft. Die liegt jetzt noch auf meiner Kommode. Hinten im Raum befand sich ein gusseiserner Ofen, der mit Holz und Kohle geheizt wurde. Dem Geldbeutel entsprechend war der Vorrat klein und es deshalb manchmal auch entsprechend kalt. Als Nächstes sollten wir unseren eigenen Fuß modellieren. Da habe ich mich dann aber verweigert. Es war zu kalt im Raum, weil die Kohle ausging.

In der Zukunft des RAW-Geländes, wo derzeit Touristen Party machen, sollen viele schicke Neubauten entstehen. Dafür werden den Plänen nach einige bestehende Gebäude abgerissen und die unter Denkmalschutz stehenden erhalten bleiben. Man hoffe, so die Planer, dass die Neubauten mit der bestehenden Nutzung zusammenpassen.

Kurzbiografie Angelika

Wie schon Viele vor mir, wollte ich, als Ostwestfale, nur kurz in Berlin bleiben – das ist nun 24 Jahre her. Das damals äußerst bezahlbare und sehr kreative Berlin hat mich magnetisch angezogen.
Auf langen Spaziergängen entdecke ich ständig etwas Neues in der Stadt!
Das viele Wasser und auch das Grün im Umland – dort zieht es mich noch immer hin.
Bis heute begleiten mich Kamera und Pinsel – für Augenblicke und Momente.
So gestalte ich auch die Geschichten und Episoden hier.

Texte von Angelika