Den Tränenpalast in Maps Satellite von oben betrachtend, denke ich an die Zeit,
in der man durch dieses Gebäude in die Hauptstadt der DDR gelangte.
Um die Grenzübergangsstelle zu passieren, war ein Tagesvisum und ein bestimmter Betrag
Westgeld zum Tausch in Ostmark Bedingung - quasi Ticket und Eintrittsbeitrag.
Obendrein galt es eine „Musterprüfung“ zu bestehen, an die ich mich besonders deutlich erinnere.

Den Pass bereit, reihe ich mich an die Warteschlange.
In die Passkontrollkabine geht jeder Einzeln, dem Grenzwärter direkt gegenübertretend.
Dieser sitzt ein wenig höher, in einem dieser Zollhäuschen, hinter Glas.

Jetzt bin ich an der Reihe.
Ich gehe hinein, grüsse wortlos nett nickend und gebe meinen Pass frei zur Besichtigung.
Prüfend beäugt der Uniformierte diesen und mustert mich gleichsam.
Seine Augen wandern im steten Wechsel zum Ausweisfoto - dann zu mir - Ausweisfoto -
wieder zu mir - Ausweisfoto - und wieder zu mir… - als versuche er herauszufinden,
ob er eine Ähnlichkeit des Passbildes und meiner Person wahrnehmen könne.
Als er dieses prüfende Muster-Spiel weiter und weiter fortsetzt -
für mein Empfinden absurd lange - werde ich unsicher.
Ich frage mich, ob es womöglich ein Codewort gibt, auf das er wartet?!
Oder will er etwa „Backschisch?“

Ich versuche es mit Zwinkern: 2x rechts, 1x links, dann grinse ich ihn forsch an.
Seine beherrschten Gesichtsmuskeln flattern kurz - ich nicke ihm zu.
Da gibt er den Stempel und reicht mir den Pass. Der Weg ist frei!
Und so spaziere ich fröhlich durch die Ausgangstür hinaus und hinein ins Berlin der DDR.

„Hallo Neuland, ich komme dich entdecken!"

Kurzbiografie Anke

1965 in der franz. Schweiz geboren,
im Schwarzwald aufgewachsen und seit 1985 in Berlin.
Seit 2002 in Kreuzberg.
Partylustiger Kreativling. Collagen-Fotomontagen-
Tanz-Theater-Poesie.
Erzähle hier kleine Episoden prägnanter Momente
beim Wandeln in dieser erlebnisreichen Stadt.