Kurz nach dem Mauerfall, also ein paar Monate später, fuhr ich in den Ostteil der Stadt, weil mein Kumpel zu mir sagte, dort könnte man jetzt günstig einkaufen - es gäbe noch DDR-Waren, die ausverkauft werden, da im Zuge der Währungsunion auch neue Waren oder was weiß ich wieder in die Regale kommen und so weiter. An diesem Tag war ich das erste Mal im Ostteil der Stadt und mein erster Eindruck war, wie weitläufig und großflächig alles war; es war ja nicht so eng wie bei uns im Westen, wo alles aufeinander hockte.

Wir gingen in einen kleinen Werkzeugladen. Ich wusste eigentlich gar nicht, was ich kaufen sollte. Viel war ja nicht mehr da – und mein Blick blieb an einem Gummihammer hängen. Die Preise waren noch in Ostmark und umgerechnet kostete das Teil etwa eine D-Mark - ein super Schnäppchen also. Einige Regale waren halbleer bis zum Boden und es gab nur noch wenige Einzelstücke. Dieser kleine Laden an der Ecke stand wohl für das große Ganze, in dem letztlich der Ausverkauf der DDR stattfand.
Mein Freund hatte leuchtende Augen und raffte zusammen, was ging. Ich sah die beiden alten Leutchen - anscheinend ein Ehepaar - das am Tresen stand; sie hatten auch leuchtende Augen, aber ich denke mal, aus anderen Gründen.

Ich kaufte mir diesen Gummihammer, weil ich sowieso einen brauchte - ich hätte noch viel mehr kaufen können, aber irgendwie hatte ich dann keine Lust mehr und kaufte nur diesen Hammer. Den besitze ich noch heute, 30 Jahre später. Er hat mir bisher gute Dienste erwiesen. Während alle Welt in den Osten fuhr, um Waren für kleines Geld einzuheimsen und zu horten, war ich mit meinem Gummihammer vollauf zufrieden und glücklich. Gewiss hatte ich genug Geld dabei – ich hätte ja auch mehr Sachen kaufen können und wenn ich mir heutzutage bei Ebay ansehe, wie die DDR-Waren gehandelt werden... Aber ich bin einfach keine Krämerseele.

Mein Freund sagte mir, kauf dir doch noch einen Meißel dazu, dann kannst du an die Mauer gehen und ein paar Stückchen raus hauen und sie verkaufen für teures Geld, aber der Gedanke lag mir erst recht fern. Wie kann ich denn hingehen und aus der Mauer, welche die Menschen getrennt und eingesperrt hat, kleine Stückchen raus schlagen und sie für Geld verkaufen?

Und manches Mal, wenn ich den Hammer ansehe, muss ich an diese beiden alten Leute denken, was wohl aus denen geworden ist - die an diesem Tag hinterm Tresen standen und an eine ungewisse Zukunft dachten.

Ich wollte nichts Unnützes haben, etwas, das ich später nur zu Geld mache - da sind die Sachen weg und irgendwann ist das Geld auch weg – nein, ich wollte etwas Nützliches haben an diesem Ausverkaufstag – etwas, was eine Weile hält. Ich weiß nicht warum, also kaufte ich diesen Gummihammer, den ich heute noch habe und der immer noch tip top ist – er hält wahrscheinlich auch noch die nächsten 30 Jahre.

Aber bitte in Freiheit.

Karl Klar

Kurzbiografie Karl

Karl Klar (geboren in Ostwestfalen) macht Gemälde, Zeichnungen und Medienkunst.
Auf der Suche nach neuen Methoden zur "Lektüre der Stadt" konzentriert er sich auf die Idee des "öffentlichen Raums": Der nicht-private Raum, der immer dann privat wird, wenn er als Lieblingsort erkoren wird. Karl Klar lebt und arbeitet in Berlin-Kreuzberg.