„Scheiße, wir sind am Arsch.”, sage ich. „Zum Kotzen”, erwidert mir mein Nachbar fatalistisch, der auf dem Treppenabsatz neben meiner Wohnungstür sitzt. Es liegt mir auf der Zunge hinzuzufügen: „Das neue Brechmittel aus dem Hause Reiermann & Söhne”, aber ich verkniff mir das angesichts des Ernstes der Lage. Die Otto-Kassette mit diesem Sketch lief früher bei uns im Lehrlingswohnheim rauf und runter, immer im Wechsel mit der von Udo L. Seit dieser Zeit sind die Sprüche und Songs der beiden tief in meinem Unterbewusstsein verankert und fallen mir immer in den unpassendsten Momenten ein. Wir drei Nachbarn halten mal wieder eine mitternächtliche Séance im Treppenhaus ab. Ich bin gerade von einem Konzert in der Parkbühne Biesdorf gekommen.

Als ich an der Tür der Wohnung unter mir vorbeiging, die von ihren Bewohnern fluchtartig verlassen worden war, und zu der die Verwaltung keinen Schlüssel besaß, erlebte ich eine böse Überraschung. Dort herrschte ein wuseliges Kommen und Gehen. Fette Küchenschaben krochen aus allen Ritzen und liefen eilig auf flinken Beinchen zur Wohnung gegenüber und wieder zurück. Bei diesem Anblick kam mir ein Dichterwort aus Goethes Osterspaziergang in den Sinn: „Aus dem hohlen finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor”. Nicht nur Otto- und Udo-Sprüche, sondern auch Goethezitate treiben in meinem Unterbewußtsein ihr Unwesen und kommen in Stresssituationen an die Oberfläche. Aber Ironie war hier nicht angebracht, und der Schreck fuhr mir kräftig in die Glieder. Ich klopfte meine Nachbarn über mir und neben mir raus. Sie warfen sich Kleider über und gemeinsam gingen wir in den ersten Stock und sahen uns die Bescherung an.

Wir hatten zwar alle schon mindestens einen Besuch des Kammerjägers hinter uns und waren davon ausgegangen, dass die Kakerlakenpopulation im Schwinden begriffen sei. Durch den Anblick der Tür in der Wohnung im ersten Stock wurden wir eines Besseren belehrt. Die Kammerjägerin hatte von höchstens drei Einsätzen geredet, im günstigsten Fall nur von zwei. Dann wäre das Problem gelöst. Das war eine zu geschönte Sichtweise, wie sich jetzt langsam herauskristallisierte. „Seien sie froh, dass Sie keine Bettwanzen haben.” sagte sie zu mir. „Jeder, dem es schlecht geht, denkt von sich, dass er froh sein kann, dass es ihm nicht noch schlechter geht.” Das Zitat ist von Marcel Proust und nicht von der Kammerjägerin. Aber ich war überhaupt nicht froh.

Ich war die Erste, die der Hausverwaltung Bescheid gab. Das war im Frühjahr. Langsam konnte ich es nicht mehr verdrängen. Ich hatte ein Problem, denn überall in der Küche liefen Käfer herum. Zuerst gab ich mir selber die Schuld, denn ich hatte vor kurzem den Kühlschrank abgetaut und der Fußboden war etwas feucht geworden, obwohl ich Tücher ausgebreitet hatte. Ich hatte an Speckkäfer gedacht, denn die kannte ich von meiner Nachbarin Rebecca im Prenzlauer Berg. Sie hatte die Waschmaschine unbeaufsichtigt gelassen und als sie zurückkam, stand die Küche unter Wasser. Ein paar Monate später hatte sie überall schwarze Käfer. Sie war mit den Nerven am Ende. Der Fußboden musste herausgerissen werden und sie zog in eine andere Wohnung. Aber erst, nachdem sie dem Bürgermeister ein Glas mit Speckkäfern auf den Tisch geknallt hatte.

Die Käfer, die bei mir herumliefen, kamen mir wesentlich flinker vor als die bei Rebecca, die eher statisch auf der Stelle hockten. Meine dagegen erinnerten mich an Einsätze während meines Studiums, als ich in Großküchen wie der Mensa Nord und dem Palasthotel an der Spülmaschine gestanden hatte. Vor allem im Palasthotel waren die Kakerlaken ein großes Problem, was man bei den dortigen Preisen gar nicht vermuten würde. „Wir können die Küche nicht einfach mal für ein paar Tage schließen, aber das müssten wir tun, um alles richtig auszugasen”, erzählte mir ein Mitarbeiter, als er mein Erstaunen angesichts der vielen Schaben sah, die über das teure Porzellangeschirr liefen. Irgendwann erzählte ich dem Nachbarn über mir von meinem Problem. Er war jedoch der Meinung, dass weder der abgetaute Kühlschrank noch die offene Tüte mit Vogelfutter, die bei mir schon einmal eine Lebensmittelmottenplage ausgelöst hatte, die Ursache seien. Er vermutete die Wohnung unter mir als Quelle des Übels. „Ich habe dort an der Tür Käfer bei der Paarung gesehen und ein Foto gemacht. Wenn du willst, zeige ich es dir.” Was mich an Männern stört, ist, dass sie öfter mal Recht haben. Aber vielleicht hätte ich in diesem Fall tatsächlich auf ihn hören und mich schon eher an die Hausverwaltung wenden sollen. Aber ich habe mich noch nie beschwert und ich finde es nicht in Ordnung, anderen etwas zu unterstellen, nur weil sie einen Migrationshintergrund haben. Die Wohnung war schon oft von der Polizei aufgesucht worden, einmal wurde sie sogar verplombt. Dort wohnten so viele Leute, dass die meisten keinen eigenen Schlüssel hatten. Deshalb wurde zu jeder Tages- und Nachtzeit immer ganz laut die Tür geknallt. Mich durchfuhr dabei jedes Mal ein Schreck. Es kam mir auch verdächtig vor, dass immer, wenn man vorbeiging und gerade jemand heraus kommen wollte, die Tür sofort wieder zugezogen wurde. „Hat hier jemand etwas zu verbergen?” fragte ich mich. Auch drang durch das offene Fenster ein Geruch zu mir hoch wie von einer Müllhalde. Offenbar hatten auch die Ratten mit ihren feinen Näschen etwas gerochen, denn eines Abends sprang mich eine Vertreterin dieser Gattung vor dieser Tür an.

Aber wenn man denkt: „Schlimmer kommt´s nimmer” hat man sich schon getäuscht. Als ich den ersten - und leider nicht den letzten - Termin mit der Kammerjägerin vereinbarte, sagte sie zu mir: „Fangen Sie ein paar ein, damit ich weiß, was das für Schädlinge sind.” Kein Problem für mich, schließlich hatte ich genug davon. Als sie kam und ich ihr das Glas zeigte, sagte sie sofort: „Das sind keine Speckkäfer, das sind Küchenschaben. Die kenne ich von meinen Einsätzen in den Wohnheimen. Da laufen sie einem schon auf dem Fußboden entgegen.” Mit ihrem Handy machte sie ein Foto, und verglich es mit einer Abbildung auf dem Display, das sie mir unter die Nase hält. „Keine Sorge, mein Mittel wirkt auch gegen Küchenschaben.”

Doch in den nächsten Wochen wurde es immer schlimmer. Ich traute mich schon nicht mehr, meine Wohnungstür zu öffnen, unter der mir schon Bataillone von Kakerlaken entgegenkamen. Ich wusste, was mich hinter der Tür erwartete, und es graute mir davor. Bevor ich das Licht in der Küche anmachte, nahm ich ein Stück Papier. Als das Licht aufflammte, ging es zack, zack, zack, und ich vernahm das angenehme Knacken der Chininpanzer der Insekten. „Fünf auf einen Streich”, dachte ich ein anderes Mal zufrieden, denn ich hatte mich auf den Küchenstuhl gesetzt und mit meinem Gewicht fünf Kakerlaken, die unter das Sitzkissen gekrochen waren, den Garaus gemacht. Als ich den dritten Termin mit der Schädlingsbekämpferin vereinbaren wollte, sagte sie mir, dass ich nicht mehr die Einzige sei, die Kakerlaken gefunden habe. Als ich den Telefonhörer wieder auflegte, war mir klar, dass ich keine Schuld an der Plage trug, und die Ursache woanders liegen musste.

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Auf dem Hof hört man jetzt immer öfter das Wort Kakerlake. Zwei Mädchen unterhalten sich. Ich werde hellhörig. Interessiert stecke ich den Kopf aus dem Fenster. „Habt ihr bei Euch auch Kakerlaken?”, rufe ich hinunter. „Meine Mutter hat gestern drei in der Küche gefunden.” kommt als Antwort. Das Mädchen wohnt im Vorderhaus ganz oben. Nicht im Traum hätte ich vermutet, dass sie bis dorthin kommen. „In diesen Biestern steckt eine erhebliche kriminelle Energie.” denke ich irgendwie bewundernd. Mir wurde klar, dass das ganze Haus befallen war. „Mein Mann konnte heute gar nicht zur Arbeit gehen, weil er die ganze Nacht versucht hat, die Schaben von den Kindern fern zu halten.” berichtet eine Frau aus dem Hinterhaus. Und eine Mutter zu ihrer Tochter im Hof, als sie vergeblich versucht, ein Fahrradschloss zu öffnen: „Vielleicht ist da eine Kakerlake reingekrochen.” Ein anderer Nachbar fürchtet, dass er von dem vielen selbstversprühten Gift krank werden könnte. Ich winke den beiden Asiatinnen zu, die in dem Geschäft arbeiten, das sich direkt unter dieser Wohnung mit Kakerlakenbefall befindet. Sie machen mir die Tür vor der Nase zu, und beobachten mich durch den Spion. Ich fuchtele mit dem Zettel rum, auf dem eine Kakerlake abgebildet ist, denn ich hatte Handzettel ausgedruckt, die ich den Nachbarn in die Briefkästen werfen wollte. Schließlich wird ihnen klar, dass ich nicht von der Aufsicht bin und öffnen die Tür. Mit einer kann ich mich auf Englisch verständigen, die andere gibt mir ihr Handy und ich tippe mein Anliegen ein. Ich staune darüber, dass aus drei deutschen Sätzen nur sieben oder acht chinesische Schriftzeichen werden. Sie tippt auch etwas ein: „Mir ist ganz eklig. Sie krabbeln überall auf meinem Körper herum.” lese ich auf dem Display ihres Handys. Es stellt sich heraus, dass ihr Chef schon seit einer Weile versucht, den Kakerlaken mit der Spraydose Herr zu werden, natürlich vergeblich. Vor dem Haus spreche ich einen weiteren Mieter an. Leider kann er auch kein Deutsch. „Ich Arab.” sagt er zu mir. Mit meinen Fingern mache ich krabbelnde Bewegungen auf meinem Arm. Er begreift. Es stellt sich heraus, dass sie bei ihm durch das Küchenfenster in die Wohnung eingedrungen und jetzt überall sind.  Eine andere Nachbarin: „Ich habe ja schon Vieles erlebt, aber so etwas noch nie.”

Es dauerte ein paar Wochen, bis sich ein Schlüssel für die untere Wohnung findet. Nun konnten auch hier die Kammerjäger anrücken und das Übel an der Wurzel packen. In der Zwischenzeit vermehrten sich die Schaben in aller Ruhe. Eine Mieterin sagt: „So lerne ich endlich mal die anderen Bewohner kennen“. Ich wusste gar nicht, dass sie überhaupt noch bei uns wohnt. Die Leute bei uns im Haus kennen sich untereinander nicht. Vor ein paar Jahren hatte sie mich an Weihnachten gefragt, ob ich ein Paket für sie angenommen hätte. Seitdem hatte ich sie nie wieder gesehen.  Ihre Stiefel stecken in Plastiktüten, die sie oben zusammengebunden hat. Sie wohnt jetzt bei Freunden, weil sie sich nicht mehr in ihre Wohnung traut und nur wegen des Kammerjägers hier ist. „In der Wohnung unten sollen ja hunderte tote Kakerlaken liegen.” hat sie gehört. „Tausende” sage ich.

Ich habe mir bei Rewe an der Treskowallee etwas zum Abendbrot geholt und breite meine Schätze auf einer Bank in der Wuhlheide aus. Abwechselnd beiße ich in eine Scheibe ungarische Salami, ein Brötchen, eine Scheibe Schinken und nehme eine Gabel von dem Creme-Brúlée-Kuchen oder einen Löffel Fruchtjoghurt. Hier schmeckt es mir, denn weiß die Küchenschaben in weiter Ferne. Zu Hause ist mir der Appetit schon lange vergangen. Auf dem Waldboden, um meine Füße herum, krabbeln Insekten aller Art, was mich aber nicht weiter stört. Im Gegenteil, ich betrachte sie wohlgefällig, denn hier in der freien Wildbahn haben sie ihren natürlichen Lebensraum und dort gehören sie auch hin und nicht in meine Küche. Ich will gar nicht daran denken, wie die Schaben immer gleich angelaufen kommen, wenn man etwas Essbares auf den Tisch legt. Jetzt im Hochsommer sind sie überall. Wenn man die Briefkastentür öffnet, kommen sie einem entgegengelaufen. Im Hausflur laufen sie die schrägen Decken hoch und im Fahrradraum wuseln sie zwischen den Rädern herum. Sie sitzen morgens auf meiner Zahnbürste, auf den Waschlappen und Handtüchern. Selbst aus dem Kühlschrank kommen sie mir entgegen, wenn man die Tür öffnet. Sie fressen sogar Seife und Papier.

„Diese Töpfe sind jeden Cent wert“, denke ich und beobachte schadenfroh, wie sich eine Kakerlake abmüht, an den Inhalt eines Topfes zu kommen. Die einzigen Behältnisse, die kakerlakensicher sind, sind nämlich die teuren Markentöpfe, über die mein Freund sich so aufgeregt hat. Wahrscheinlich haben sie die Deckel in einem Terrarium voller Insekten auf Dichtheit getestet. Ich habe ein Faible für verschließbare Behältnisse in mir entdeckt. Im Ein-Euro-Shop in der Frankfurter Allee kaufe einen Berg Plastikbehälter der verschiedensten Größen und bilde mir ein, den Kakerlaken damit ein Schnippchen schlagen zu können. Leider stellt sich heraus, dass sie sich von nichts aufhalten lassen, außer von den Deckeln dieser Markentöpfe, die wirklich dicht sind. Auch eine Blechdose, in der ich Geleebananen einlagerte, erwies sich als nicht uneinnehmbar.

Das Kochen kann ich mir abschminken. Ich kaufe nur noch Fertiggerichte im Supermarkt und stelle sie in die Mikrowelle. Früher habe ich die von meiner Mutter zu Weihnachten geschenkte Mikrowelle fast nie benutzt. Jetzt bereite ich dort sogar die eingeschweißte Fertigcurrywurst, die ich früher nicht mit der Kneifzange angefasst hätte, zu. Sie schmeckt besser als gedacht. Langsam gewöhne ich mir das Kochen ab. Der Mann vom vietnamesischen Imbiss in der Frankfurter Allee sagt vorwurfsvoll: „Schon wieder.” Erst vor drei Tagen habe ich mir Essen bestellt. Er hält mich wohl für eine faule Hausfrau. „So macht man sich sein Business kaputt”, denke ich. Kaffee bereite ich nur noch mit Kapseln in der Nespresso-Maschine zu. Einmal habe ich das Glas mit Latte Macchiato kurz aus den Augen gelassen, und als ich wieder einen Schluck nehmen wollte, kroch eine Kakerlake aus dem Milchschaum. Sie sah etwas derangiert aus und hatte wohl eine heftige Coffeeindosis abbekommen, denn sie lief so schnell weg, dass ich sie nicht mehr einfangen konnte. Mir wurden die Knie weich und ich musste mich erst mal setzen. In solchen Augenblicken soll es helfen, in eine Tüte zu atmen. Jemand rät mir zu Katzengras. Das soll angeblich die Schaben abhalten. Ich glaube nicht daran, aber als es das bei Aldi gibt, kaufe ich eine ganze Stiege. Auch den Tipp, Wasser mit Zucker und Natron zu mischen und in kleinen Behältern überall aufzustellen, halte ich angesichts des Ausmaßes der Plage für naiv. „Der Zucker lockt die Kakerlaken an und das Natron macht ihnen den Garaus” wird mir gesagt.

Langsam gewöhnt man sich an den Anblick der Kakerlaken, die überall an den Hauswänden und auf den Treppen Kakerlaken herumlaufen. Ich klopfe bei meinem Nachbarn über mir. Es dauert eine Weile, bis er die Tür öffnen kann, denn er hat von innen alle Ritzen verklebt. Auch die Fenster öffnet er nicht mehr. Und das bei 30 Grad im Schatten! Ich könnte das nicht. Andere Mieter glauben, mit Fliegengittern viel erreicht zu haben. „Ich bin immer froh, ein Insekt auffliegen zu sehen, wenn ich näherkomme. Kakerlaken können nicht fliegen.” sagt er. Eines Nachts wachte ich auf und dachte: „Das ist das Ende. Du bist in der Bronx gelandet.” Dort werfen die Leute ihren Müll aus dem Fenster, und es sollen Ratten, groß wie Katzen, dort rumlaufen, hatte ich gehört. Am Geldautomaten in der Marktstraße sitzt immer ein Mann, dem ich jedes Mal etwas Geld gebe. Oft, wenn ich gerade mit dem Fahrrad vom Einkaufen im Supermarkt in Rummelsburg komme, bringe ich ihm auch eingeschweißte Baguettes, Würstchen oder Salatschalen mit. Deshalb bin ich der Meinung, dass er meinen Sorgen zum Dank für die ganzen milden Gaben, die ich ihm angedeihen lasse, ruhig mal sein geneigtes Ohr leihen könnte. Zu ihm sage ich: „Ich habe auch meine Probleme. Wir haben eine Kakerlakenplage und ich trau mich gar nicht mehr nach Hause.” Er interessiert sich nicht für das, was ich sage, sondern schaut nur auf mein Portemmonaie.

In einer anderen Nacht höre ich, wie die Tür von meinem Nachbarn aufgeht. Ich schaue neugierig durch den Türspion. Mit einer Stabtaschenlampe leuchtet er am Türrahmen entlang. Er  ist auf Kakerlakenjagd. Ich schnappe mir meine Spraydose, geselle mich zu ihm und spritzte durch das ausklappbare Röhrchen zielgenau das Insektengift auf die Kakerlake. Der Erfolg lässt auch nicht lange auf sich warten. „Ich habe schon 236 Kakerlaken erlegt”, verkündet mein Nachbar stolz.                                                                                                                           

Ein Mann steht auf der Straße und betrachtet misstrauisch unsere offene Haustür. „Können sie die Tür bitte hinter sich schließen, wenn sie rausgehen.” sagt er zu mir. „Warum das?” wundere ich mich. „Bei uns im Nebenhaus hat der Hausmeister jetzt im Hausflur auch Kakerlaken gefunden, die von ihnen gekommen sind.” antwortet er mir auf meine Frage. Ich denke bei mir: „Jetzt sind sie also auch schon im Nebenhaus.” Und gebe ihm zu bedenken: „Die kommen überall durch. Eine geschlossene Haustür ist da kein Hindernis.” Woraufhin er antwortet, dass man es ihnen so schwer wie möglich machen sollte. „Vielleicht hat er Recht”, denke ich. Jetzt sind wir wohl in den Augen der Leute das verfluchte Haus, von dem aus sich in ganz Friedrichshain die Kakerlakenplage ausbreitet.

Ein besonderes Erlebnis der dritten Art hatte ich, als ich einmal nachts von der Toilette zurückkam und sah, wie es im Bett kreuchte und fleuchte. Ein anderes Mal - ich nahm eigentlich an, dass sich das Problem erledigt hätte - öffnete ich nach langer Zeit mal wieder die Besteckschublade (das Kochen hatte ich mir inzwischen ja abgewöhnt) und erlitt eine Panikattacke, als ich sah, wieviel Schaben dort krabbelten. „Frohes Fest.” sagt die Kammerjägerin. „Nach Neujahr komme ich wieder.”

Eine große schwarze Spinne lässt sich von einem langen Faden an der Decke zu mir herab. Sie beginnt auf meinem Arm zu krabbeln. Zärtlich beobachte ich sie. Meine Spinnenangst habe ich vollkommen überwunden. Was hatte ich mich früher bei Edgar Wallace gegruselt. Wie Klaus Kinski der verängstigten Karin Dor, die an einen Stuhl gefesselt war, eine große haarige Vogelspinne auf´s Bein setzte. Nicht mal vor der fürchte ich mich jetzt.

Fazit: Ab und an finde ich noch eine tote Kakerlake. Ich vermute, dass in den Ritzen noch allerlei lauert und traue dem Frieden nicht so richtig.