Lassie war die schlaue Colli-Hündin aus einer Fernseh-Vorabendsendung meiner glücklichen Kindheit im Westdeutschland der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Nur getoppt von „Flipper“, dem ebenso schlauen Delphin. Beide sind Teil meiner letztendlich doch recht glücklichen Kindheit in Westdeutschland (Bonanza zählt schon zur Phase der reiferen Kindheit).

Wo fängt die Geschichte an? Sie beginnt in einer Ostberliner Gegend, die in diesem Sommer 1990 für mich erstens noch völlig fremd war und zweitens zu jener Zeit gänzlichst im Dunkeln lag: die Rede ist von Friedrichshain. Diesen Namen hatte ich gerade mal eben zum ersten Mal gehört. Irgendwo dicht an der Mauer gab es da diesen neuen Ost-Club, dem jeglicher Techno-Beat fremd war. Hier nimmt die Geschichte Fahrt auf mit einem Auftritt der 1988 in West-Berlin gegründeten „Lassie Singers“. In der Anfangszeit dieser Band liess das Können an den Instrumenten noch eher zu wünschen übrig, die Lust an Provokation und Spaß dafür nicht. Der Garderobenstil der „Lassie Singer“ entsprach an diesem Abend dem Modegeschmack der besagten 60er, ihre Liedtexte nahmen mit bissigem Humor gerne tradierte Geschlechterrollen auf´s Korn. Das Ganze verpackten sie in eingängige Melodien und eine wunderbar vergnügliche Tanznacht war somit zumeist garantiert. Bier ging immer und GinTonic war auch zu jener Zeit schon einmal äusserst angesagt. Entsprechend vage sind allerdings meine Erinnerungen. Alle weitere Versuche, die Erinnerung an diesen Abend festhalten zu wollen würde unweigerlich in Fälschung ausarten. Nur an eins kann ich mich noch gut erinnern: Trunken wie wir alle waren, musste der Heimweg ins traute Kreuzberg wieder gefunden werden, war ja nur die Spree dazwischen. Da wir „eingereist“ waren über die Oberbaumbrücke, auf Empfehlung einer Lassie-Dame die Ausreise über die Schillingbrücke aber kürzer sein sollte, suchten wir das Abenteuer, sprich: diesen neuen Übergang. So sind wir dann raus auf die Straße. Dunkel wars - für uns Glitzer und Glamour gewohnten Wessies sogar sehr dunkel. Wir schwankten an die frische (!) Ostluft und fanden uns bald an dieser standfesten grauen Mauer wieder, die später einmal die Eastside-Gallery werden sollte. Wie gesagt: Bier und Gin Tonic waren ja mit dabei und nebelig war es zwischendurch auch. Unsere Not wuchs als es unter funzeligen Laternen weiterhin dämmerig neblig blieb und kein Ausgang aus dem nicht mehr ganz so realen Sozialismus in Sichtweite war. Autos, wenn überhaupt, hatten alle Ostkennzeichen. Taxis und Busse: Fehlanzeige.

Nach einigem Suchen nahte unerwartete Hilfe. Der Blick wurde klarer und wir erkannten die Lassie Singers wieder. Alles Weitere war dann gar nicht mehr schwierig. Der halblegale Ausgang über die Schillingbrücke tauchte alsbald aus dem Dunkel auf und wenig später saßen wir allesamt entspannt auf jener Brücke, die mir später auch die liebste der Spreebrücken wurde. Gemeinsam genossen wir bald den Sonnenaufgang über dem Fluss. Ich glaube ja immer noch, das die Wegempfehlung und das plötzliche Auftauchen der Bühnenstars in einem Zusammenhang stand.

Das erste Album der Band 1991 hiess übrigens: „Die Lassie Singers helfen Dir“. Da habe ich mich irgendwie angesprochen gefühlt… Später haben wir uns immer mal wieder in der „Flittchen-Bar“ im „Maria“ am Ostbahnhof getroffen.

-Ho-

Kurzbiografie -Ho-

Winter 1988 – das Jahr meines Umzuges aus dem Niedersächsischen nach West-Berlin. Zu dieser Zeit fühlte sich hier noch niemand so recht angesprochen von den Turbulenzen rundherum. Bekanntermaßen änderte sich das aber ziemlich bald. Was für mich bedeutete: als zugereister Wessi war ich zur rechten Zeit am richtigen Ort, um bald viele neue Erfahrungen machen zu können. Ich habe in einer mir damals recht fremden Stadt den ganzen Schwung der Wende-Zeit ab 1989 live erleben dürfen. Kreuzberg, Neukölln, Moabit: das waren die ersten Stadtbezirke, die ich auf meiner Wohnungssuche durch die damaligen Westsektoren der Stadt kennenlernte. Den größten Teil dieser mittlerweile 32 Jahre (Stand 2021) wohne ich aber in Kreuzberg. Hier zog es mich wieder hin, hier lebe, wohne und arbeite ich noch heute. Viel habe ich in diesen Jahren in meinem Kiez, seiner näheren Umgebung und später auch in Friedrichshain erlebt. Große Geschichten, kleine Episoden, mal skuril, mal sehr bedeutend, aber immer mittemang und authentisch. Anfangs etwas wilder, später etwas milder. Davon berichten meine Texte.